Sie ist gebürtige Wittgensteinerin, lebt in Sassenhausen und legt großen Wert darauf, den Kontakt zur Heimat und zu ihrem Wahlkreis zu halten. Auch deswegen war sie gerne bereit, für einen Tag die Bank der Abgeordneten mit der Schulbank zu tauschen. Genauer: mit dem Lehrerpult. Sie hat erst eine Differenzierungklasse 9 und dann eine Gruppe mit Schülern aus den Klassen 10 in Sozialwissenschaften unterrichtet. Es hat gut „funktioniert“, meint auch Eckhard Pfeil als Fachlehrer.
Anke Fuchs-Dreisbach hat Schornsteinfegerin „gelernt“. Danach war sie Physiotherapeutin. Und auch der Wechsel vom Landtag in die Schule ist gut gegangen. Obwohl, sagt sie, doch vorher ein wenig Lampenfieber gehabt habe. Beraten im Landtag, richtiges Abstimmen, die Aufgaben in verschiedenen Ausschüssen, das sei doch etwas anderes als Schülern kurz vorm Ende der Sekundsarstufe 1 zu erklären, wie gut es ist, wenn man sich für Politik interessiert.
Wie parlamentarisches Beraten geht, dass sollten die Schülerinnen und Schüler am Beispiel eines konkreten Antrags erfahren: 7 Abgeordnete fordern, dass Artikel 1 der NRW- Verfassung geändert wird. Bisher heisst es dort, dass jemand wahlberechtigt ist, wenn er oder sie 18 Jahre alt werden. Die Abgeordneten möchten, dass „jeder Staatsbürger/jede Staatsbürgerin wahlberechtigt“ ist. Also ohne Altersgrenze nach unten und von Geburt an. Nach anfänglicher Zurückhaltung entwickelte sich eine gute Diskussion:
Beinahe alle Schülerinnen und Schüler halten das für eine sehr schlechte Idee. Babys, Kleinkinder in Kindergärten, Grundschüler und auch Jungen und Mädchen in den unteren und mittleren Klassen der weiterführenden Schulen könnten schlecht selbst entscheiden, wo und warum sie bei Wahlen ein Kreuz malen können. Es fehle Vielen das Verständnis. Ohne eine gewisse politische Grundbildung könne man nicht wählen.
Es bestehe die Gefahr, dass nicht Jugendliche ihre Interessen vertreten, sondern Eltern oder andere Dritte anstelle der Zielgruppen gleich mehrfach abstimmen würden. Wählbar sein und wählen können mit 18, so wie es heute schon ist, das sei In Ordnung. Oder vielleicht auch schon auch mit 16 Jahren zur Wahl gehen dürfen: darüber könne man sprechen. Sonst aber sei die Gefahr der Beeinflussung von außen auch durch radikale Gruppen zu groß.
Anke Fuchs-Dreisbach hat nachgefragt. Sie hat Schüler direkt angesprochen. Sie hat sich vorbereitete Stellungnahmen vorlesen lassen und sie stimmt zu: das Wahlrecht mag es mit 16 geben. Drunter aber nicht.
Es ging allerdings auch um konkrete Probleme:
Die teuren Fahrtkosten für hessische Schüler nach Wittgenstein etwa. Je nach Alter und Herkunft oder Nähe einer entsprechenden Schule zu Hause zahlen Eltern in Hessen im Jahr bis zu 600 Euro für den Transport ihrer Kinder über die Landesgrenze nach Bad Laasphe und zurück. Etwa ein Drittel aller Schüler der weiterführenden Schulen in Bad Laasphe kommt aus Hessen. Am Städtischen Gymnasium sind es sogar deutlich mehr.
Eine derartige finanzielle Belastung: da gebe es keine echte Wahlfreiheit mehr, fanden die Schüler. Das Recht auf Bildung dürfe nicht an Landesgrenzen stecken bleiben. Niemand dürfe seiner Herkunft wegen benachteiligt werden. Das müsse auch zwischen Bundesländern gelten. Und Melanie Dietrich, die Stellvertretende Schulleiterin der Realschule Schloss Wittgenstein in Bad Laasphe meint: wer an einer NRW-Schule aufgenommen worden sei, der müsse auch ein Recht haben auf das kostenlose NRW-Ticket. Dann seien alle Transportprobleme gelöst.
Anke Fuchs-Dreisbach nimmt alle Aussagen und den Vorschlag mit nach Düsseldorf. Sie hat versprochen: sie bleibt ´dran am Problem. Selten hat es an der Realschule Schloss Wittgenstein eine Stunde Sozialwissenschaften mit so direktem Kontakt „nach oben“ gegeben. Und es geht weiter: am 6. Dezember fahren die beiden Kurse in aller Frühe zum Landtag in Düsseldorf.