Auf dem Schlossberg angekommen, mussten wir erst einmal zu Atem kommen, der Anstieg war ganz schön steil und anstrengend.Wir trafen dort unsere persönliche Gästeführerin, Frau Haas, die uns zuerst mit auf einen Rundgang um das Schloss selbst mitnahm, welches der erste hessische Landgraf Heinrich I., Enkel der Heiligen Elisabeth, als seine Residenz ausbauen ließ. Wir erfuhren dabei, dass die Reste der alten Burganlagen jedoch wesentlich älter sind und bis ins 9. und 10. Jahrhundert zurückreichen.
Anschließend gingen wir hinein und Frau Haas berichtete uns anschaulich von der Geschichte des Schlosses im Wandel der Zeit und führte uns fachkundig durch die inneren Bereiche, Ausstellungen und Säle.Besonders eindrucksvoll wirkte auf uns die 1290 geweihte Schlosskapelle, in welcher wir unsere Tour starteten. Diese weist noch einen historischen Fußboden aus glasierten Tonfliesen auf (wir mussten im wahrsten Sinne des Wortes „auf dem Teppich bleiben) und hier konnten wir noch große Teile der ursprünglich sehr farbigen Wandmalereien bewundern, wie zum Beispiel eine Darstellung des überlebensgroßen Heiligen Christopherus. Der Form halber verbeugten auch wir uns vor ihm, wie es einst der Landgraf selbst tat, um vor plötzlichem Tode geschützt zu sein.
Ein wenig später gelangten wir durch die historischen Damengemächer zu dem im Nordtrakt gelegenen Fürstensaal, welcher im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts im gotischen Stil erbaut wurde. Er hat eine Grundfläche von rund 420 Quadratmetern und ist somit einer der größten gotischen Profansäle Deutschlands. „Profan“ daher, weil er ausschließlich zu weltlichen Zwecken errichtet wurde und auch noch heute wird er zu besonderen festlichen und kulturellen Anlässen gerne genutzt.Nachdem wir viel Wissenswertes von Frau Haas erfahren hatten, bedankten wir uns für die tolle Führung und schlenderten noch ein wenig durch die spannenden Ausstellungen. Wir versammelten uns abschließend vor einem Historiengemälde des Malers August Noack, der um 1869 das Marburger Religionsgespräch von 1529 eindrucksvoll auf Leinwand gebannt hatte.
Hier erfuhren wir von Herrn Kaufmann, unserem Internatsleiter, worum es bei diesem, für die Reformation in Deutschland sehr wichtigen Zusammentreffen ging. Unsere Schülerin Martin erkannte Martin Luther als eine der Hauptpersonen und Herr Kaufmann erklärte, dass neben Luther der Schweizer Reformator Zwingli abgebildet sei. Deutlich für uns zu erkennen war, dass beide damals wohl nicht einer Meinung gewesen sein konnten. Hauptstreitpunkt, so führte Herr Kaufmann aus, waren die unterschiedlichen Auffassungen Luthers und Zwinglis von der Rolle des Abendmahls.
Während Luther an der traditionellen Lehre von der leiblichen Gegenwart Christi im Brot und Wein des Abendmahls festhielt, verstand Zwingli die Abendmahlsfeier als symbolische Gedächtnishandlung. Luther hielt so sehr an seiner Auffassung fest, dass er demonstrativ die Worte „Hoc est corpus meum“ (Dies ist mein Leib) auf den Tisch schrieb. Auf diese Worte deutet er auch im Gemälde, das war uns gleich aufgefallen. Wir erfuhren weiterhin, dass Zwingli immer darauf hingewiesen habe, dass es der Vernunft widerspreche, dass Christus einerseits im Himmel sei und andererseits während des Abendmahls an vielen Orten gleichzeitig leiblich vorhanden sein solle. Für Luthers Verständnis war dieses Argument seines Gegners allerdings kein Problem gewesen. Er wies einfach auf die Unbegreiflichkeit der göttlichen Macht hin. Und das sei, so schloss Herr Kaufmann seinen unterhaltsamen Vortrag, letztlich eines der besten rhetorischen Argumente, die man überhaupt anbringen könne.
Abschließend spazierten wir bei glücklicherweise trockenem Wetter durch die Marburger Altstadt und aßen gemeinsam zu Mittag. Wer noch nicht genug hatte von alten Gebäuden und Geschichten ging mit Herrn Kaufmann noch durch die alte Universität; shoppen gehen durften wir allerdings auch.
Wir freuen uns schon auf einen Ausflug zur Wartburg nach Thüringen. Dort geht’s dann mit Luther weiter und auch die Geschichte Marburgs, eng verbunden mit der Heiligen Elisabeth, wird uns weiter beschäftigen, wenn es wieder heißt: „Auf den Spuren von…“