Das Wochenende nach Pfingsten begann mit einem ereignisreichen Tag. Zuerst erhielten wir eine Führung durch die geschichtsträchtige Elisabethkirche in Marburg an der Lahn. Sie wurde ab 1235 über dem Grab der Heiligen Elisabeth erbaut und zählt seither zu einer der bedeutendsten Wallfahrtsstätten des Abendlandes.
Wir erfuhren interessante Details zum Bauwerk und auch die Geschichte der Heiligen Elisabeth (1207-1231), welche als ungarische Königstochter 1221 mit dem Landgrafen Ludwig IV von Thüringen vermählt wurde, konnten wir anhand vieler eindrucksvoller Darstellungen und Reliquien nacherleben. Besonders berührt waren wir von der Tatsache, dass Elisabeth, deren Vorbild der Heilige Franz von Assisi war, nach dem Tode ihres Mannes Ludwig ein Gelübde über Armut und Gehorsam ablegte. Fortan stellte sie ihr Leben in den Dienst an armen und kranken Menschen und errichtete zu diesem Zweck auf dem Gelände nördlich der Kirche ein Spital.
Ein weiterer Höhepunkt der Führung war die Besichtigung des mittelalterlichen Dachstuhls, der im Laufe der Jahrhunderte erstaunlicherweise keinen Schaden genommen hat und zu den ältesten in ganz Europa zählt. Auch hier erhielten wir Auskunft über beeindruckende Besonderheiten hervorragender Handwerkskunst.
Zum Abschluss der Führung durften wir ausnahmsweise den äußeren Rundgang der Elisabethkirche betreten, welcher gemeinhin verschlossen bleibt. Uns bot sich ein herrlicher Blick über Marburg aus einer ungewöhnlichen Perspektive, welchen man so nur äußerst selten bekommt.
 
Als nächste Station unseres Ausflugs stand das 7. Marburger Bildungsfest auf den Lahnwiesen nahe der Philologischen Fakultät der Universität Marburg auf dem Programm. Doch bevor wir die von Studentinnen und Studenten errichtete bunte Zeltstadt betreten konnten, hatten wir noch eine Begegnung der außergewöhnlichen Art. Ein sonderbarer Mann in brauner Kutte stellte sich uns vor, bärtig, barfuß und mit leuchtenden blauen Augen. Sein Name: Öff Öff!
Im Verlauf der nächsten halben Stunde erfuhren wir Genaueres: Sein bürgerlicher Name ist Jürgen Wagner. Diesen hat der studierte Theologe aber seit Jahren nicht mehr benutzt, genauso wenig wie seinen Personalausweis, den er an den Bundespräsidenten zurück geschickt hat. Öffi, wie ihn seine Freunde – und wir jetzt auch – nennen dürfen, ist ein waschechter deutscher „Aussteiger und Waldmensch“. Er berichtete über sein Leben außerhalb der Gesellschaft, wie er über Jahre hinweg in einer Hütte im Wald als Selbstversorger lebte und versuchte uns für seine Ideale zu begeistern.
Besonders neugierig wurden wir, als Öffi zwischendurch einen Anruf mit seinem Handy entgegennahm. Selbiges, so sagte er, sei eine der wenigen nützlichen modernen Errungenschaften, die er erst zuletzt aufgeben wolle. Natürlich sei das Handy geschenkt, werde durch Spenden unterhalten und diene dazu, seine Ideen und Ansichten zu verbreiten und mit Gleichgesinnten in Kontakt zu bleiben. Mit der Frage, was wir uns für unser eigenes Leben erhoffen und ob wir unsere Lebensziele auch nachhaltig und ökologisch verträglich verwirklichen könnten, entließ er uns nachdenklich aus seinem kurzweiligen Vortrag. Anschließend konnten wir endlich das eigentliche Bildungsfest mit seinem bunten Treiben besuchen.
Zuerst trafen wir dort auf Privatdozent Dr. phil. habil. Hartmut Bölts, der uns die Geschichte des Bildungsfestes erläuterte. Im Rahmen des Studien- und Weiterbildungsangebots der Philipps-Universität „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ setzt Hartmut Bölts sich für Umwelt- und Ressourcenschutz ein, denn dieser fängt im Kopf einzelner an, so Bölts im persönlichen Gespräch mit uns. „Die Gesellschaft muss sich zunehmend gerade im Bereich der nachhaltigen Entwicklung weiterbilden, denn eine friedliche Welt hat sehr viel mit Klimaschutz und bewusstem Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu tun, …“ so Bölts. Deshalb motiviert er seine Studenten eigene Projektideen zum Thema Umweltbildung zu entwickeln und in Form von Präsentationen und Workshops auf dem Bildungsfest zu präsentieren.

Uns begegnete also variantenreiche, kreative Aktionen, Ausstellungen und Diskussionen rund um Bildung, Umwelt, Kultur und Gesellschaft. Zuerst besuchten wir das „Tauschzelt“, in welchem man eigene Kleidung oder Spielsachen gegen andere Dinge austauschen konnte, ohne dafür zu bezahlen. Man durfte sogar bei Gefallen Dinge für sich mitnehmen, ohne einen Gegenwert zu hinterlassen, frei nach dem Motto: Geben und schenken, anstatt nehmen und bezahlen.
Danach informierten wir uns über Atomkraft in der EU, deren Rückbau und Probleme der Endlagerung des Atommülls, setzten uns gemütlich mit einer Mate-Brause und leckeren Tees an die Bar und ließen das bunte und alternative Treiben auf uns wirken.
Ein besonderer kulinarischer Genuss wurde uns durch AG „Lehmofen“ bereitet. Hier hatten Studenten nach alter Weise einen Lehmofen selbst gebaut und versorgten uns nun mit leckerem und frischem Brot inklusive veganer Brotaufstriche. Ein sehr ungewöhnliches Geschmackserlebnis für manche von uns.
Abschließend informierten wir uns noch über die Gefährlichkeit des Plastiks und der Verpackungsabfälle in Deutschland, besuchten den Stand von Greenpeace und schauten zu, wie man aus Müll kreative Dinge fertigen kann. Die Herstellung eines Geldbeutels aus einem Tetra-Pak war dabei besonders faszinierend.
Nach vielen Impulsen und neuen Ideen verließen wir mit rauchenden Köpfen das Bildungsfest, nicht ohne unsere eigene Meinung von Konsum und zum Thema Umweltschutz zu hinterfragen. Herr Dr. Bölts ließ es sich zum Abschluss nicht nehmen, Herrn Kaufmann eine signierte Ausgabe seines neuen Buchs „Umweltbildung, ein praxisorientierter Überblick“ mitzugeben. Herr Kaufmann freute sich sehr und musste uns erst einmal beantworten, ob er denn früher auch so alternativ gewesen ist, wie manche auf dem Bildungsfest. Wir amüsierten uns sehr über seine Erzählungen, gingen weiter die Lahn entlang und entspannten uns später beim gemütlichen Tretbootfahren.
Der erlebnisreiche Tag in Marburg endete mit gemeinsamem Public-Viewing des WM-Spiels Kolumbien gegen Griechenland am Lahnufer, nach welchem wir diesmal wirklich „geschafft“ aber sehr zufrieden ins Internat zurückkehrten.
Wir freuen uns bereits auf das nächste Jahr, wenn es wieder heißt: „Bildung muss gefeiert werden“. Bildungsfest – wir kommen wieder!

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