Mit dieser modernen Adaption des Klassikers „Die Räuber“ von Friedrich Schiller gelang dem Literaturkurs der Jahrgangstufe 11 unter Leitung von Lehrerin Karin Leser eine ebenso temperamentvolle wie furiose Umsetzung des klassischen Stoffes, die die Essenz des Klassikers auf unterhaltsame Weise greifbar machte. Schillers Räuberhauptmann Karl Moor mutiert zur charismatischen Charlotte Moor (einfach überragend: Ileana Wetter), Franz wird in der modernen Version zur eifersüchtigen Schwester Franziska (eindringlich präsentiert von Sonja Müller im 1. Teil und Moana Adam im 2. Teil) und Schillers treue Amalia wird zum köstlich verklemmten Volker (Julian Märte/Teil 1 und Jannis Richter/Teil 2).
In Marlene Skalas Stück werden die männlichen Originalvorlagen zwar in zeitgenössische Rebellen umgewandelt, hinsichtlich Gewaltbereitschaft, krimineller Energie und Idealismus stehen sie ihren literarischen Brüdern in nichts nach. Mit ihrer Bande hat sich Charlotte in einer alten Fabrikhalle eingenistet. Zur Gang gehören die Materialistinnen Spiegel und Bild (Ann Christin Hüttermann und Talisa Schäfer), die angehenden Schauspielerinnen Nelly und Maggy, die das Geschehen mit Schillertexten begleiten (einfach grandios: Franziska Ruppel und Amelie Radomski), die Feministin Valerie Schwarz (Lena Grebe), die fundamentalistischen Geschwister Grimm (Fabienne Pfeiffer und Sophie Schneider), der Kleinkriminelle Antonio (Tini Paloji), die durchgeknallte Computerspezialistin E.T (Pia Schanze) sowie die frustrierten Sozialpädagogen Alice und Jens (Saskia Jäger und Maurice Scheidt).
Auch die Nebenrollen waren ideal besetzt: Sina Diehl spielte Ruth, die Freundin von Charlotte und Franziska, Denise Reichel die Kommissarin und Charlin Lenz war eine umwerfend komische Polizistin, die das Publikum begeisterte.
Die Handlung folgte im Wesentlichen dem Original: Lotte, die ihr Ausbrechen aus der bürgerlichen Gesellschaft mittlerweile bedauert und eigentlich die Bande verlassen will, wird von ihrer eifersüchtigen und intriganten Schwester Franziska, die sich um Charlottes Freund Volker bemüht, an einer Rückkehr durch gefälschte Briefe an ihren Vater Maximilan Moor (in seiner Eigensüchtigkeit überzeugend dargestellt von Florian Bernhardt) gehindert. Daraufhin schwört Charlotte endgültig ihren familiären Bindungen ab und wendet sich ganz dem illegalen Leben am Rand der Gesellschaft zu.
So unterschiedlich die jungen Leute um Charlotte allerdings sind, so unterschiedlich sind auch ihre Beweggründe, sich in dieser Bande zusammenzuschließen, was bald zu existentiellen Interessenskonflikten führt und die ganze Bande in eine ausweglose Situation bringt.
Hier prallen die Charaktere aufeinander. Sie balancieren „zwischen Strich und Nadel“, zwischen „Burnout und Orangenhaut“(so heißt es im Stück!) – alles kommentiert von den Schauspielerinnen Nelly und Maggy, die stets Reclam-Hefte mit sich herumschleppen und auf Schritt und Tritt Schillers Sprachschätze rezitieren. Als Charlotte gehen will, fühlen sich alle im Stich gelassen. Ein gemeinsamer Coup, dem die Guten nur zustimmen, weil sie sich ausmalen, was sie mit dem Geld alles tun können, soll die Bande zusammenhalten. Doch die Situation eskaliert und im Räuberlager entbrennt ein Machtkampf zwischen Geldgier, Gewalt und egoistischem Heldentum.
Schiller wäre am Ende sicherlich begeistert gewesen und alle, denen der Zugang zu klassischen Stücken bisher fehlte, waren es wohl ebenfalls.
Unter der Leitung von Lehrerin Karin Leser hat der Kurs das äußerst anspruchvolle und textlastige Stück mit einer unglaublichen Spielfreude umgesetzt und in einer bis auf den letzten Platz besetzten Aula einem begeisterten Publikum präsentiert. Die Gesamtspieldauer des Stücks betrug 110 Minuten, was den Spielern eine enorme Leistung abverlangte. Die professionell wirkenden Schauspieler beherrschten ihre umfangreichen und äußerst schwierigen Textpassagen jedoch bravourös und glänzten mit perfekt vorgetragenen Einsätzen.
Mit riesigem, kaum enden wollenden Applaus wurden alle Mitwirkenden am Ende für ihre überragenden Leistungen belohnt „Es ist faszinierend zu sehen, zu welchen außergewöhnlichen Höchstleistungen die Schüler fähig sind“, sagte Schulleiter Herbert Marczoch in seinem Schlusswort.
Mit dem Theaterstück präsentierte Frau Leser dem Publikum zugleich das Ergebnis eines harmonischen Zusammenspiels verschiedener Bereiche: Neben dem Literaturkurs hatten die Schüler der Technik-AG (Torben Zeuge, Lukas Kroh, Justin Faust, Xaver Herrmann, Merlin Matthes und Lukas Müller) unter Leitung von Klaus Hofmann und mit Unterstützung von Susanne Krabbe Gelegenheit, ihre Fertigkeiten am Mischpult und den Scheinwerfern zu zeigen.
Mit Installationen des Kunstkurses der Jahrgangsstufe 11 unter Leitung von Kunstlehrerin Frau Warratz-Ermert wurden die Besucher beim Betreten des Schlosses gleich zu Beginn auf das Ambiente einer alten Fabrikhalle eingestimmt.
Insgesamt eine überaus gelungene Produktion, die beim Publikum sehr gut ankam und auch nach der Aufführung noch für lang anhaltende Begeisterung sorgte!
Karin Leser
Bild 2: Amelie Radomski und Franziska Ruppel als Schillertext rezitierende Schauspielerinnen
Bild 3: Charlin Lenz als Polizistin, die von den Gangmitgliedern überwältigt wird
Bild 4: Der gesamte Literaturkurs des Gymnasiums Schloss Wittgenstein